Ort des Bösen Thriller von J.P. Conrad
Mit Klick auf "Abspielen" willigen Sie ein, dass Inhalte von YouTube geladen werden.
Dabei können personenbezogene Daten an YouTube/Google übermittelt werden.
Weitere Informationen findest du auf der Seite zum Datenschutz.

Wenn das Schicksal böses Blut zeugt...
Skandalreporter Jack Calhey glaubt nicht an Geister und Dämonen. Und doch scheint in dem abgelegenen Dorf Gleann Brònach in den schottischen Highlands eine dunkle Kraft am Werk zu sein.
Was ist mit Jacks Freund Felix passiert, der dort während seiner Recherchen plötzlich verschwunden ist? Und warum kam es in den letzten fünfzig Jahren in Gleann Brònach immer wieder zu tödlichen Unfällen?
Auf seiner Suche nach Felix muss Jack feststellen, dass der vermeintlich idyllische Ort ein grausiges Geheimnis birgt.
Neugierig, wie es weitergeht?
Dann hole dir das Buch beim (Online-) Buchhändler deines Vertrauens!
ShopShop
Bestellen Sie Ihr Exemplar ganz bequem in diesen Shops – oder unterstützen Sie Ihren Lieblingsbuchhändler:

Prolog
Jack Calhey konnte nicht behaupten, unvermittelt in diese ausweglose Situation geraten zu sein. Er war mehrfach gewarnt worden; mit subtilen Hinweisen, mit deutlichen Worten und vor allem mit erschreckenden Taten. Doch er hatte sie alle ignoriert. Er hätte nach Hause fahren sollen, wie Grace es gesagt hatte; spätestens nach dem Tod des Jungen. Aber wie schon so oft zuvor, hatte er nicht auf die ihm wohlgesonnenen Stimmen gehört und stattdessen seinen Dickkopf durchgesetzt.
Nur diesmal würde er für seine Sturheit mit dem Leben bezahlen. Und dabei war es ihm nicht einmal, wie sonst, um eine Story für seine Zeitung gegangen.
Hätte er nicht seinen Wagen eingebüßt, wäre er in weniger als einer Stunde in Wick gewesen, hätte sich dort ein Zimmer nehmen und mit einem einzigen Telefonat dem Spuk ein Ende machen können. Aber der Land Rover war ja auf den Felsen vor den Klippen zerschellt; genau wie der Junge.
Zu Fuß hatte Jack seinen motorisierten Verfolgern im Schutz der Dunkelheit und dank des unwegsamen Geländes zwar entkommen können, aber der Gewittersturm hatte ihm jede Hoffnung genommen, sein Ziel noch in dieser Nacht zu erreichen. Diese Feststellung hatte ihn unvorsichtig werden und ihn der Verlockung des Dämons erliegen lassen.
Jack war ihm geradewegs in die Arme gelaufen, hatte sich vom wärmenden Schafspelz, den der eiskalte Wolf trug, täuschen lassen.
Aber wie hätte Jack wissen können, dass es ihn wirklich gab? Wie hätte er ahnen können, dass er schon längst in der Falle gesessen war, während er noch glaubte, in Sicherheit zu sein?
Egal; das Schicksal hatte entschieden, die Würfel waren gefallen. Leben oder Tod? Tod! Diese unumstößliche Erkenntnis hatte Jack spätestens in dem Moment getroffen, als die fünfzehn Zentimeter lange Klinge des Messers die Fasern des Hemdes des toten Mannes, das er trug, durchtrennt und im nächsten Augenblick seine Bauchdecke durchstoßen hatte. Es war die zweite Verletzung, die man ihm zugefügt hatte. Und es würde die Letzte sein.
Mit einem Schlag war ihm eiskalt, schwindelig und übel geworden. Der Schmerz selbst hielt sich in Grenzen und Jack war sich nicht sicher, ob das ein gutes Zeichen war.
Als die Klinge wieder aus ihm heraus geglitten war, wollte er nach der Wunde tasten. Aber wie hätte er das mit hinter dem Rücken gefesselten Armen schaffen sollen? Mit verschwommenem Blick sah er das Blut, das sich ringförmig um die Wunde in den Stoff des Hemdes saugte und mit dem aus der vorherigen Verletzung vereinigte. Er kniff die Augen zusammen.
Du darfst jetzt nicht sterben!, sagte er zu sich. Du darfst jetzt nicht sterben! Doch es war wie der Anfeuerungsruf eines Trainers an seine Mannschaft, die das Spiel längst verloren hatte. Die Arme spannten sich hinter ihm, als man erneut seine Kunststofffesseln überprüfte. Sie waren unnachgiebig fest um seine Handgelenke geschlungen. Dann verschwanden der Dämon und sein unfreiwilliger Helfer. Das Licht ging aus. Das Einrasten des Schlosses am großen Tor war gleichbedeutend mit dem Siegel auf Jacks Schicksal. Den Gestank um sich herum nahm er schon längst nicht mehr wahr; auch nicht die erdrückende Wärme und die Insekten, die neugierig einen Abstecher zu ihm machen, ihn umkreisten, um sich dann wieder interessanteren Dingen zuzuwenden. Alles, was jetzt noch existierte, war der Schmerz, der allmählich Jacks Körper und Geist paralysierte. Er biss sich auf die Lippen, versuchte, seinen Oberkörper angespannt zu halten und weiter auf den Knien zu hocken. Wenn er umkippte, wäre es vorbei; er würde das Bewusstsein verlieren und dann würden sie kommen und ihn sich holen. Mehr als noch ein paar Sekunden gab er sich selbst nicht mehr, das zu verhindern. Wenn er großes Glück hatte, war er verblutet, bis sie über ihn herfielen.
Unweigerlich entfuhr ihm ein heiseres Lachen. Glück? Das wäre also Glück? Vorher zu verbluten? Wie relativ doch alles war, das Leben und der Tod. Mit dem Leben hatte er nun abgeschlossen; seine einzigen Optionen lagen darin, wie ihn der Tod ereilen würde.
Nichts wird von mir übrig bleiben. Nichts.
Jack schaffte es nicht mehr, die von den Schmerzen zugekniffenen Augen zu öffnen. Sein Geist driftete einfach dahin. Er fiel nach vorne in den Dreck.
Samstag, 23. Mai 1992
Der Raum war erfüllt vom Geruch kalten Zigarettenrauchs und dem des spartanischen Dosengerichts vom Mittag, der sich hartnäckig in der seit Tagen ungelüfteten Wohnung hielt. Der Fernseher plärrte in unangenehmer Lautstärke, welche die staubigen Gläser in der Schrankwand leicht vibrieren ließ und warf die Bilder des Teleshoppingkanals in Richtung eines verwaisten Sofas. Überlagert wurden die Dialoge der überschwänglich chargierenden Moderatoren nur von dem verzweifelten Schreien des kleinen, sieben Monate alten Kindes, das mit hochrotem Kopf und sich vor Hunger krümmend, in der schmucklosen Holzliege auf einer fleckigen Babymatratze lag. Es hätte schon vor über einer Stunde seine Flasche kriegen müssen, doch diese stand, die Milch darin mittlerweile kalt, unerreichbar für das Kind, auf dem Wohnzimmertisch. Sie reihte sich dort in eine Sammlung von leeren Gläsern, einer angebrochenen Weinflasche und einem überfüllten Aschenbecher ein.
Niemand konnte in diesem Augenblick das Drehen eines Schlüssels im Türschloss und die sich öffnende Wohnungstür hören. Der Neuankömmling schlug sie, als Ankündigung seiner Ankunft, mit einem lauten Knall hinter sich zu. Er wartete einen Moment, doch nichts rührte sich. Das Geschrei des Babys scherte ihn dabei nicht einen Deut. Sein Blick fiel auf den Flurboden; dort lagen eine noch ungeöffnete Rotweinflasche und ein Päckchen Marlboro.
»Iris!«, schrie der Mann laut und voller Zorn. Es dauerte ein paar Sekunden, dann erschien die junge Frau in der Tür des Schlafzimmers. Sie band sich gerade hektisch ihren nikotingelben Morgenmantel zu. Ihr Blick war verschlafen, die rotbraunen, ungewaschenen Haare zerzaust. Sie trug, völlig unpassend für ihren Aufzug, knallroten Lippenstift, der aber deutlich verschmiert war.
»Du bist schon da?«, fragte sie, leicht lallend und mit belegter Stimme. Sie kniff die Augen ob des hellen Lichts zusammen. »Wie spät ist es denn?«
Er kam mit festen Schritten auf sie zu, den Schlüsselbund in seiner geballten Faust haltend. Er baute sich vor ihr auf und sah sie mit vor Wut rotem Kopf aus dünnen Augenschlitzen an.
»Er ist wieder hier, oder?« Es war eigentlich mehr eine Feststellung, als eine Frage. »Seine Dreckskarre steht unten.«
Iris fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und gähnte mit geschlossenen Augen, bevor sie reagierte.
»Was soll das? Ich dachte, du wolltest eine Tour machen?«
»Scheiß auf die Tour!«, polterte er los und ergriff ihren linken Arm. Er packte schmerzhaft fest zu und zog sie zu sich heran. Sie roch nach Alkohol und Sex.
»Lässt du dich immer noch von diesem Arschloch ficken?«
Er erhielt weder eine Antwort, noch machte Iris Anstalten, sich aus seinem Griff zu befreien. Sie hing dort wie ein nasser Sack. Er ließ den Schlüsselbund fallen und hielt sie nun mit seinen breiten Händen an beiden Oberarmen. Mit einem Ruck drückte er sie gegen die Wand, wobei eines der gerahmten Bilder mit den Hundebabys, die sie aus Zeitschriften ausgeschnitten hatte, zu Boden fiel. Das Glas zersprang.
»Und wenn schon? Ich bin ein freier Mensch!«, geiferte Iris nun. Sie spuckte leicht beim Reden und ihr Atem roch eindeutig nach Alkohol. Für einen Moment schaute er zur halb geöffneten Schlafzimmertür; dahinter war es dunkel. Sicher würde der Kerl dort im Bett liegen und pennen. Er hätte jetzt einfach dort rein gehen und ihn im Schlaf erschlagen können. Mit seinen bloßen Fäusten. Was ihm vor knapp einem halben Jahr schon beinahe einmal gelungen wäre, hätte er sich im letzten Moment nicht selbst gezügelt, würde er sicher hier und heute zu Ende bringen können. Zumindest war er in genau der richtigen Stimmung dafür.
»Ich will, dass du dich nicht wie eine Hure benimmst«, zischte er sie an, sein Gesicht dicht an ihres gepresst. »Ich will, dass du dich wie ein richtiger Mensch aufführst und dass du dich um dein Balg kümmerst.«
Erst jetzt drang das Babygeschrei bewusst an Iris‘ Ohr. »Scheiße! Ich muss Evie füttern!« Sie versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien, doch er hielt sie fest.
»Du bleibst hier! Wir klären das jetzt ein für alle Mal!« Er zerrte sie an ihrem Arm hinter die nächste Tür, in die Küche.
Die Neonröhren flackerten auf. Als sie den unaufgeräumten und dreckigen Raum mit ihrem kalten, weißen Licht erhellten, kniff Iris stöhnend die schmerzenden Augen zusammen.
»Komm zu dir, du verdammte Hure!«, schrie er und schleuderte sie gegen den mit leeren Pizzakartons und Weinflaschen zugestellten Esstisch. Zwei Flaschen fielen zu Boden und rollten vor die Heizung. Iris konnte sich gerade noch mit den Armen an die Tischkante klammern.
»Lass mich in Ruhe! Ich mache, was mir passt. Das habe ich dir schon oft genug gesagt! Und wenn dir das nicht gefällt, dann hau doch einfach ab!«, sagte sie schniefend und mit Tränen in den Augen. Ihr zitternder, mit rotem Plastiknagel dekorierter Zeigefinger deutete zum Ausgang. Er schloss die Küchentür und lehnte sich mit verschränkten Armen dagegen.
»So kannst du mit mir nicht reden! Mit mir nicht! Du bekommst jeden Monat einem Haufen Geld von mir, und das, obwohl du weißt, dass ich es für meinen Lebenstraum sparen will. Und was machst du damit? Du versäufst und verkiffst es. Du spülst mein Geld das Klo runter! Und du vögelst mit allem, was dir zwischen die Beine kommt! Du bist nichts weiter, als eine billige Schlampe!« Er schüttelte den Kopf.
»Ich dachte, ich könnte dich ändern. Da hab ich mich wohl gründlich geirrt!«
Benommen torkelte Iris auf ihn zu.
»Ich muss jetzt mein Baby füttern«, murmelte sie, als ob sie die Vorwürfe und Beleidigungen gar nicht wahrgenommen hätte. Doch das hatte sie. Aber im Moment überwog die Sorge um ihr Kind, das sie stundenlang vernachlässigt hatte. Das Kind, dem sie gerade hatte seine Milch geben wollen, als Danny vor der Tür gestanden war. Er hatte eine Flasche Wein und ein Päckchen Zigaretten dabei gehabt und war schon leicht angeheitert gewesen. Anstatt nun aber trotzdem zuerst ihr Baby zu füttern, war sie ihm gleich um den Hals gefallen. Das Verlangen zwischen ihren Schenkeln war größer gewesen, als die Sorge um ihr eigenes Kind. Keuchend, erregt und sich heftig küssend waren sie ins Schlafzimmer gegangen. Der Rotwein und die Zigaretten waren ebenso schnell auf dem Boden gelandet, wie ihre Klamotten. Nach einer halben Stunde voll heftigem Sex waren beide dann eingeschlafen. Erst, als Iris ihren Namen über den Flur brüllen gehört hatte, war sie wieder zu sich gekommen. Was hatte ihr armes Baby inzwischen durchgemacht? Es schrie nach wie vor ohne Unterlass. Natürlich, es hatte seit Stunden großen Hunger.
Iris versuchte, sich an ihm vorbei zu drängen, doch er ließ sie nicht gewähren. Er hielt seine Arme verschränkt und blieb unnachgiebig vor der verschlossenen Küchentür stehen.
»Lass mich durch, du Schwein! Ich muss zu meinem Kind!«,
»Fällt dir herzlich früh ein.« Blitzschnell holte er mit seiner rechten Hand aus und schlug ihr damit so heftig ins Gesicht, dass sie rückwärts taumelte und zu Boden fiel.
»Das war für das Schwein!«
Sie rieb sich ihre schmerzende Wange. Etwas Blut tropfte ihr auf den Bademantel. Sie tastete nach ihrer Nase und hatte daraufhin auch Blut an ihren Fingern.
»Danny ist tausendmal besserer als du!«, zischte sie gehässig. »Der hat es nicht nötig, mich zu schlagen, damit er sich wie ein richtiger Mann fühlt. Du bist ein erbärmlicher Schlappschwanz!«
Das war ein Wort zu viel. Den Kopf vor Benommenheit und Schmerzen gesenkt, sah sie durch ihren Haarschopf, wie ihr Gegenüber sich ruckartig aus seiner Position löste, kurz zur Anrichte ging und dann mit einem solchen Ruck die Küchentür aufriss, dass die Klinke eine Delle in der Wand hinterließ.
Was hatte er jetzt vor? Iris wusste es nicht und es interessierte sie auch nicht wirklich. Sie wollte, nein, sie musste sich jetzt endlich um ihr Kind kümmern! Mit zitternden Händen stützte sie sich auf dem Boden ab und richtete langsam ihren Oberkörper auf. Ihr Kopf dröhnte wie nach einer durchzechten Nacht; zumindest zu der Zeit, als sie noch nicht so sehr an den Alkoholkonsum gewöhnt war, wie heute. Sie stemmte sich an der Anrichte nach oben, auf der sich das dreckige Geschirr türmte, das in der Spüle keinen Platz mehr gefunden hatte. Als sie nach einer der Saugflaschen greifen wollte, die ebenfalls dort standen und so ziemlich das einzig Saubere in diesem Raum waren, fiel ihr Blick auf den Messerblock.
Eines der Messer fehlte.