In einer Stunde tot 4 Horror Shots von J.P. Conrad
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Eine Nacht. Vier grausame Schicksale.
Es ist der 31. Oktober, Halloween. Während die einen ausgelassen feiern, wird es für die anderen die schlimmste Nacht ihres Lebens: Eine Krankenschwester begegnet ihrer dunklen Vergangenheit, eine Gruppe junger Leute erlebt live ihren ganz persönlichen Splatter-Film, eine brave Familie gerät in die Fänge von Kannibalen und ein Strohwitwer bekommt nachts todbringenden Besuch.
„In einer Stunde tot“ enthält diese vier Kurzgeschichten: "Cara", "Partynacht", "Das letzte Ma(h)l" und Gewaltnatur.
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1
Wir waren irgendwo im Nirgendwo. Es war schon seit mindestens zwanzig Kilometern stockdunkel und schüttete in Strömen.
»Sind wir bald da?«, fragte ich genervt und versuchte erneut, es mir in der Enge meines Sitzplatzes etwas bequemer zu machen; gar nicht so einfach als einer von dreien, die sich die Rückbank des koreanischen Schrotthaufens teilten.
»Du gehst mir so auf den Sack, Alter«, entgegnete Dennis, der den Wagen durch die Nacht und das Unwetter lenkte. »Achtzig Kilometer sind achtzig Kilometer!«
»Alles nur wegen einer scheiß Halloween-Party!«, brummte Simon, mit dem ich recht intim Schulter an Schulter saß. Durch die laute Musik konnte es aber außer mir wohl niemand hören. Ich fand es mittlerweile allerdings auch idiotisch, zum Feiern einen so weiten Weg zu fahren. Sich volllaufen lassen ging auch bei uns Zuhause in Loughton, wenn auch nur im privaten Rahmen. In dem Kaff gab es an Halloween nicht eine vernünftige, öffentliche Party, was aber auch kein Wunder war. Die einzige Disco in dem Örtchen, in dem meine vier Kumpels und ich lebten, hatte vor knapp zwei Jahren dicht gemacht.
»Wir hätten lieber nach London reinfahren sollen«, sagte Simon jetzt für alle laut hörbar. »Da wären wir in zwanzig Minuten dort gewesen und da hätte es geile Partys und willige Weiber gegeben!«
»Ich tue jetzt einfach mal so, als hätte ich das nicht gehört!«, sagte Emily, die Dennis’ Freundin war und auf dem Beifahrersitz saß, mit gespielter Empörung.
Ich stimmte Simon trotzdem kopfnickend zu. Wir hatten uns aber nun mal von Dennis überreden lassen, zu dieser, wie er sagte, alternativen Party-Location, irgendwo in die Pampa zu fahren. Ich hoffte nur, dass es keine Open Air Veranstaltung war, als ich die im Fahrtwind schnell über das Fenster gleitenden Regentropfen beobachtete.
Wir fuhren noch etwa zehn Minuten weiter, als Dennis plötzlich die Hardrock-Musik leise drehte. Ich bemerkte auch, dass wir langsamer wurden und erwartete nun einen Satz wie »Wir sind da.«
Aber stattdessen sagte Dennis: »Fuck! Scheißkarre, verdammte!«
Das klang nicht gut.
»Sag, dass das jetzt nur ein Scherz ist!«, kommentierte Emily scharf.
»Mann, was ist los, Alter?«, fragte nun Tom neugierig, der neben Simon am Fenster saß und die letzte halbe Stunde keinen einzigen Ton gesagt hatte.
»Na, was wohl? Die Karre hat den Geist aufgegeben«, antwortete Emily für ihren Freund. Sie war hörbar genervt und ich konnte es nachvollziehen. Auch ich hatte keine Lust, hier draußen am Arsch der Welt in der Kälte und im Regen auf einen Abschleppwagen zu warten. Ich seufzte leise und schaute erneut aus dem Fenster: Der Regen hatte aufgehört. Wenigstens etwas.
»Dein Vater ist so ein reicher Sack und lässt dich mit diesem Schrotthaufen rumfahren! Peinlich ist das! Hätten wir doch lieber meinen Bus genommen, da wären wir auch nicht alle wie die Sardinen drin gesessen!«
Dennis reagierte nicht auf Emilys Vorwürfe.
»Wären wir doch nur nach London gefahren!«, wetterte Simon erneut. »Hier findet uns doch kein Schwein!«
»Auf jeden Fall wird es sicher lange dauern, bis ein Abschlepper kommt«, sagte ich. »Und der wird bestimmt auch keinen Platz haben, um vier Idioten wie uns mitzunehmen!«
»Ach, haltet doch einfach alle mal die Klappe jetzt!« Mit diesem Worten öffnete Dennis seinen Gurt und dann die Wagentür.
»Was soll das jetzt werden?«, fragte seine Freundin giftig. »Willst du nicht mal irgendwo anrufen?«
Dennis stieg aus und drehte sich zu Emily um. »Lass mich doch erst mal schauen! Vielleicht ist nur ein Kabel ab, oder so.«
Sie brummte kopfnickend und tippte sich dann mit dem Finger an die Stirn. »Hm, ja. Ich weiß auch, wo!« Sie lehnte sich trotzig zurück in ihren Sitz und verschränkte schmollend die Arme.
»Kommt Jungs!«, sagte ich. »Wir schauen auch mal, ob wir helfen können.« Ich hatte von Automechanik keine Ahnung, wollte mir aber unbedingt mal die Beine vertreten. In dem kleinen Wagen war es so eng gewesen, dass ich sie die ganze Zeit hatte anwinkeln müssen. Ich klappte den Fahrersitz vor und kletterte dann aus dem Wagen. Ein kalter, klammer Wind blies mir ins Gesicht. Glücklicherweise hatte Dennis das Auto noch an den Straßenrand lenken können, wie ich jetzt feststellte. Ich sah mich um: Die Straße war schmal und menschenleer.
»Wo sind wir hier, zum Teufel?«, fragte ich in die Runde, nachdem auch Simon und Tom ausgestiegen waren. Auch sie zuckten ratlos mit den Schultern.
Dennis hatte inzwischen die Motorhaube geöffnet und war mit dem Oberkörper darunter verschwunden. »So eine verdammte Scheiße!«, fluchte er.
»Was?«, Simon lief neugierig um den Wagen herum.
»Ich hab‘ keine Ahnung, was der Karre fehlt.«
Ein kurzes trockenes Auflachen von Emily.
»Ok, dann ruf ich jetzt beim Pannendienst an«, sagte Tom und zückte sein Handy.
»Warte!«, sagte Dennis und knallte die Motorhaube zu. »Ich mach das schon!« Er wischte sich die schmutzigen Finger an seiner Hose ab und zog sein Smartphone aus der Jacke. »Schließlich hab ich uns den Mist eingebrockt.« Dann beugte er sich in den Wagen und starrte auf das Navi.
Simon sah in den dunklen Himmel. »Na, wenigstens regnet es nicht mehr!«
»Wir hätte auch im Auto warten können, du Genie!«, entgegnete Emily und stieg nun ebenfalls aus. Sie zog sich ihren hautengen, roten Rock zurecht, auf dem ein Spinnennetz abgebildet war.
Wo kriegt man solche Klamotten?, dachte ich bei mir und beobachtete, wie sie mit schnellen Schritten, soweit ihr das in den hochhackigen Schuhen möglich war, um das Auto herum, zum Kofferraum lief. Sie öffnete ihn und nahm ihre schwarze Lederjacke heraus. Ich ging zu ihr und hielt sie ihr auf.
»Danke, nett von dir!«, sagte sie und lächelte.
»Eigentlich versuche ich nur, die Meinung, die du von uns Jungs im Moment hast, etwas zu verbessern.«
Emily verdrehte kurz die Augen. »Ja, ist klar.« Dann knallte sie den Kofferraumdeckel zu und ging auf der anderen Seite um den Wagen herum.
Ich runzelte die Stirn. Hatte sie das jetzt etwa als Anmache missverstanden? Eine Hand klopfte mir auf die Schulter und unterbrach mich in meinen Gedanken.
»Hey, Kumpel.« Es war Simon. »Happy Halloween!«
Ich lächelte schräg.
»So ein Scheiß, oder?«, kommentierte er unsere bescheidene Situation. Ich konnte ihm nur zustimmen.
»So Jungs«, sagte nun Dennis laut und wir drehten uns zu ihm um. »Abschlepper kommt! Kann allerdings bis zu zwei Stunden dauern.«
»Super!«, raunte Tom entnervt. »Ob wir es überhaupt noch zur Party schaffen?«
»Sag mal, spinnst du?«, fragte Emily sauer. »Glaubst du, ich hab da jetzt noch Bock drauf?«
»Ach komm, Baby!« Dennis versuchte, ihr den Arm um die Schulter zu legen, doch sie stieß ihn weg.
»Ihr mit euren bekloppten Ideen!«, wetterte sie. Dann sahen wir, wie sie von der Fahrbahn ins hohe Gras stapfte.
Dennis runzelte die Stirn. »Wo willst du hin?«
»Ich muss mal pissen!«, brüllte sie zurück, während sie von der Dunkelheit der Nacht verschluckt wurde.
Simon schüttelte lachend den Kopf. »Weiber!«
»Bleib in der Nähe!«, rief Dennis ihr, ebenfalls kopfschüttelnd, hinterher.
»Wie weit wären wir denn noch weg gewesen von deiner tollen Party-Location?«, fragte ich ihn.
»Wäre echt nicht mehr weit gewesen. Zwei Kilometer oder so.«
»Sollen wir die Karre vielleicht dahin schieben?«, fragte Tom und erntete böse Blicke von uns. »Schon gut, war nur ’ne Idee!«
Simon zog seine Zigaretten aus der Tasche und hielt mir die Schachtel hin. Ich lehnte dankend ab, während ich Emily hinterher schaute. Aber sie war nicht mehr zu sehen.
Simon kramte in seinen Jackentaschen. »Scheiße. Hast du Feuer?«
Ich nickte und zündete ihm die Zigarette mit meinem Sturmfeuerzeug an.
Es vergingen ein paar Minuten. Simon und Tom lehnten an der Beifahrerseite des Wagens und zogen an ihren Glimmstängeln. Dennis hatte sich auf den Fahrersitz gesetzt, ein Bein auf der Straße, und tippte wie wild auf dem Navi herum. Ich starrte weiterhin auf die Stelle, an der Emily in der Nacht verschwunden war. Allmählich war doch etwas Zeit vergangen und ich fragte mich, wann sie denn endlich wieder kommen würde.
Nachdem eine weitere Minute verstrichen war, schien es auch Dennis endlich aufgefallen zu sein. »Wo bleibt die denn?«, fragte er, stieg aus, stemmte die Hände in die Hüften und blickte in die Dunkelheit. »Emily? Kommst du noch mal wieder?«
Keine Antwort. Er rief noch einmal ihren Namen, aber wieder blieb alles still. Das war nicht gut.
Sofort lief Dennis zum Kofferraum und kramte dort in einem kleinen Beutel. »Wo ist diese scheiß Taschenlampe?«, fluchte er.
»Warte!« Ich zog mein Smartphone aus der Hosentasche. Es hatte einen eingebauten LED-Blitz, den man auch als Lampe benutzen konnte. Ich schaltete sie ein und leuchtete über den Fahrbahnrand. Da waren ein paar dichte Büsche, etwa fünf Meter entfernt. »Emily? Wo bist du?«, rief ich laut.
Dennis war neben mich getreten und kniff die Augen zusammen. »Was macht die bloß so lange, verdammt?«
Ich leuchtete langsam von links nach rechts. Aber dort bewegte sich nichts, außer den Büschen, die leise im Wind wiegten. »Soll ich mal nachschauen gehen?«, bot ich an.
»Nee, du Spanner! Ich geh selbst. Gib mal her, das Ding!« Er streckte die Hand aus und zähneknirschend gab ich ihm mein Telefon. Ich beobachtete, wie er in Richtung der Büsche ging und dann zwischen zweien von ihnen verschwand. Das Licht meines Smartphones blitzte hier und da hinter den Zweigen auf.
Dennis rief Emilys Namen. Immer wieder. Und mit jedem Mal wurde er lauter. Und panischer. Gerade, als ich überlegte, auch mit zu suchen, kam er plötzlich wieder hinter den Büschen hervor. Er hielt mein Telefon mit dem eingeschalteten Licht gesenkt und noch irgendetwas in der anderen Hand. Erst, als er wieder bei mir war, erkannte ich, was es war und mein Herz setzte für einen Schlag aus: Es war Emilys roter Halloween-Rock.
»Was … wo ist sie?«, fragte ich völlig entgeistert.
Dennis sah mich mit ausdrucksloser Miene an. »Weg!«, sagte er nur.